Massnahmen des Bundesrates zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen: Globalziele oder Globalbudgets als Heilmittel?

Mit seiner Strategie Gesundheit 2020 und den Legislaturzielen 2015–2019 strebt der Bundesrat ein qualitativ hochstehendes, für alle gut zugängliches und finanziell tragbares Gesundheitswesen an. Ende 2016 hat Bundesrat Alain Berset eine Expertengruppe mit internationaler Beteiligung unter dem Vorsitz von Altregierungsrätin Verena Diener beauftragt, rasch umsetzbare kostendämpfende Massnahmen zur Entlastung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) vorzuschlagen.

 

Christoph Gitz, Geschäftsführer

Ende Oktober 2017 legte die Expertengruppe einen Bericht mit insgesamt 38 Massnahmen vor. Zwei Massnahmen sind übergeordnet: Zum einen empfiehlt die Expertengruppe die Einführung eines Experimentierartikels im KVG, um innovative Pilotprojekte zu testen. Mehr Diskussionsstoff liefert aktuell die zweite übergeordnete Massnahme, nämlich ein neues Steuerungsinstrument mit der Festlegung verbindlicher Zielvorgaben bzw. Globalziele für das OKP-Kostenwachstum in den verschiedenen Leistungsbereichen. Als Referenzländer werden Deutschland und die Niederlande erwähnt. In den Niederlanden funktioniert ein ähnliches Modell bereits seit drei Jahren. Allein das Ankündigen einer Obergrenze des Kostenwachstums habe dort die Akteure diszipliniert. Falls die Zielvorgaben verfehlt werden, sollen Sanktionsmassnahmen ergriffen werden, um das Kostenbewusstsein der verantwortlichen Akteure zu erhöhen. In der Praxis könnte das in etwa so umgesetzt werden: Wenn die Kosten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung prozentual deutlich mehr wachsen als die gesamte Volkswirtschaft, werden zum Beispiel den Ärzten, Spitälern und Medikamentenverkäufern im Nachhinein die Erträge gekürzt, oder sie müssen die Budgetüberschreitung im Folgejahr kompensieren.

Das richtige Heilmittel?  

Obwohl im Expertenbericht nicht explizit so genannt, rief dieses Steuerungsinstrument unmittelbar das Schreckgespenst des Globalbudgets auf den Plan, so dass im Herbst 2017 die Dachverbände der Spitäler, der Ärzte, der Pharmaindustrie, der Krankenkassen und der Patienten zusammengerückt sind und gemeinsam dagegen Position bezogen haben. In der Tat kann man sich fragen, ob verbindliche finanzielle Globalziele das richtige Heilmittel für das Kostenwachstum in der OKP sind. Umso mehr, als der Zielwert sich am Wachstum des Potenzial-BIP (Bruttoinlandprodukt) ausrichten soll, einer Kennzahl, die sich aus dem Fortschritt der Arbeitsproduktivität und dem Wachstum der Erwerbsbevölkerung zusammensetzt. Den möglichen Behandlungsumfang psychischer Krankheiten an volkswirtschaftliche Produktivitätskennzahlen zu knüpfen, ist mehr als fragwürdig. Auch sei erlaubt, kritisch anzumerken, wie dann die Sanktionsmassnahmen verursachergerecht umzusetzen wären. Sollen Akteure, die sich gewissenhaft verhalten, in Sippenhaft genommen werden für solche, die unnötige Mengenausweitungen betreiben? Wird dann gar die Psychiatrie gegen die Akutsomatik oder die Rehabilitation ausgespielt?

Drohkulisse von Zielvorgaben und Globalbudget?

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 28. März ein Kostendämpfungsprogramm verabschiedet, das im Herbst 2018 in die Vernehmlassung geschickt werden soll. Mit Massnahmen zu den Kosten und Tarifen sollen die Mengenentwicklung eingedämmt, Tarifblockaden verhindert und Effizienzgewinne erzielt werden. Geprüft werden die Stärkung der Rechnungskontrolle sowie die Einführung eines nationalen Tarifbüros für den ambulanten Bereich. Im ersten Paket ist auch ein Experimentierartikel enthalten, der innovative, kostendämpfende Projekte ausserhalb des Rahmens des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) ermöglichen soll. Mit dem Verzicht des Bundesrats auf Steuerungsinstrumente mit verbindlichen Zielvorgaben hinsichtlich des Kostenwachstums verhindert er eine Umsetzungsblockade des ersten Pakets, behält gleichzeitig aber auch die Drohkulisse von Zielvorgaben und Globalbudgets aufrecht, indem er bis Ende 2018 darüber eine Aussprache führen will. 2019 soll ein zweites Paket folgen.

 

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