Abschied von Dr. med. Ursula Steiner-König 1939–2017

Ehemalige SGPP-Präsidentin und ehemaliges Mitglied im FMH-Zentralvorstand

 

 

Im vergangenen August habe ich mich mit Ursula Steiner bei ihr zu Hause in Basel getroffen. Es ging um den Tag des Kranken, für den sie sich seit Jahren, delegiert von der FMH engagierte. Wir diskutierten dabei auch über aktuelle Strömungen in der Psychiatrie. Ursula Steiner hielt sich darüber auf, dass viele Kollegen und Kolleginnen sich eigentlich kaum mehr als Ärzte verstehen und etwa an keinem psychiatrischen Notfalldienst teilnehmen wollen. Sie berichtete mir von ihrer Freiwilligenarbeit mit Asylbewerbern, über ihren Kampf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung. Als ausgebildete Sängerin erzählte sie begeistert von Konzerten und Opern. Zum Abschluss gab mir Ursula Steiner noch eine Adresskarte eines libanesischen Restaurants in Paris, wo wir vor vielen Jahren anlässlich eines WPA (World Psychiatric Association) Kongresses mit einigen Schweizer Psychiatern und Psychiaterinnen einen fröhlichen Abend verbracht hatten.

In dieser Begegnung erlebte ich noch einmal wesentliche Anliegen und Eigenschaften von Ursula Steiner. Sie war an erster Stelle Ärztin, Tochter eines in Lyss praktizierenden Hausarztes und sie war eine Art Hauspsychiaterin, die sich für psychisch kranke Menschen egal welcher «Herkunft und Art» mit Herz engagierte. Sie verteidigte ein Berufsbild, in dem die ärztliche Psychotherapie einen wesentlichen Platz einnahm. Aber nicht nur die Praxistätigkeit sondern auch der Einsatz für die Psychiatrie und die psychiatrische Arbeit in der Öffentlichkeit waren ihr wichtig. Es ist einer ihrer Verdienste, dass die Psychiatrie als Fach und Arbeitsweise in der Medizin, aber auch in der Öffentlichkeit, mehr Gewicht und Anerkennung bekommen hat: Zuerst im Vorstand der Kantonal-bernischen Ärztegesellschaft dann als Präsidentin der SGPP und später als Vizepräsidentin und Mitglied des Zentralvorstandes der FMH. Sie war  mit dem Ausland vernetzt etwa der WPA und EAP (European Associationfor Psychiatry). Die verschiedenen Mandate führten manchmal auch zu Konflikten: Die einen fühlten sich von Ursula Steiner zuwenig vertreten, die anderen fanden sie engagiere sich einseitig. Sie setze sich mit «Verve» für den Erhalt der psychiatrischen Spitexpflege ein und blieb lange Jahre der Balintbewegung verbunden. Ein Kennzeichen ihrer Arbeit war ihr Bemühen, Kompromisse zu finden und auch divergierende Strömungen wieder zusammen zu führen, dies  in einer freundschaftlichen und stets respektierenden Haltung.

Ein Freund von ihr, Prof. Dieter Ladewig aus Basel, hat über sie geschrieben: «Nicht so sehr ihre Verdienste um die FMH und die SGPP oder den Tag der Kranken möchte ich nennen, sondern ihre Art Freundschaften zu pflegen. Ihre Musikalität, ihre Kochkunst und ihr überaus herausragendes «Savoir vivre», mit dem sie Freunde in ihrem Zuhause empfing, zeichneten sie aus. Mit ihrer Art hat sie unzähligen Menschen und besonders in Not Befindlichen helfen können

Ursula Steiner ist Ende August 2017 78-jährig an Krebs gestorben.

Dr. med. Hans Kurt, Past-President SGPP 



Auch ich traure um Ursula Steiner, die ehemalige Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie (SGP), wie damals unsere Gesellschaft hiess. Wie Hans Kurt - ihr Nachfolger - es in seinem Abschiedswort sagt, blieb Ursula als Psychiaterin durchaus Ärztin, hielt aber auch den psychotherapeutischen Anteil hoch, so wie es unser Doppeltitel seit 1961 fordert. Folgerichtig wollte sie deshalb auch den Namen unserer Gesellschaft ändern, was zur jetzigen Titel ‚Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie‘ führte. Erste Frau als Präsidentin setzte sie sich unentwegt für unser medizinisches Fach im Rahmen der FMH ein, was nicht immer genügend verstanden wurde und manchmal Enttäuschungen einbrachte. Auch nachdem sie ihre klinische Tätigkeit verlassen hatte und nach Basel, ihrem Studienort, übersiedelte, blieb sie weiterhin berufspolitisch tätig. Noch letztes Jahr sorgte sie sich um verlorene Archive der heute verschwundenen Schweizerischen Ärztegesellschaft für Psychotherapie (SAGP) und bat mich ihr dabei zu helfen.

Ich kannte Ursula Steiner-König seit den 70er Jahren im Rahmen der Ausbildung zum Balintgruppenleiter in Sils. Sie führte damals ihre Psychiatrisch-Psychotherapeutische Praxis in Lyss (BE), und zwar im stattlichen Haus, wo ihr Vater früher als Hausarzt gewirkt hatte: Ich habe ihn, den Doktor König, in den 60er Jahren als Studentenvertreter in Kommissionssitzungen noch gekannt; er war damals Präsident der FMH und wirkte auf mich recht allmächtig und eher autoritär. Ich glaube, es war für seine Tochter Ursula nicht selbstverständlich, sich ihm gegenüber zu behaupten und als Frau die Ärzteanliegen auf ihre Art und in unserer Zeit weiter zu verteidigen und so sein Erbe zu verwalten. Sie hat dies mit viel Mut und manchmal auch mit einer gewissen Tendenz zur Selbstverleugnung getan. Dankbar denke ich daran, wie Ursula in den 90er Jahren mich tatkräftig als Präsidentin der SGPP in meiner nicht immer leichten Arbeit als Präsident der Ständigen Kommission für Weiter- und Fortbildung (der sie angehörte) unterstützt hat. Tapfer hat sie ihre Krankheit in den letzten Jahren ertragen. Die schöne Abdankungsfeier am letzten 13. September im Basler Münster erlaubte uns von Ursula Abschied zu nehmen.

Sie bleibt für mich eine wertvolle berufliche und persönliche Erinnerung.

Dr. med. Franco Renato Gusberti, Genf, Präsident SKWF 1988-95


 

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