
In meiner Praxis ist in den letzten Jahren der Index von santésuisse meistens hoch gewesen. Am ehesten erkläre ich mir das damit, dass ich vorwiegend psychotherapeutisch arbeite. Ich stelle mir nun folgende Fragen:
Der statistische Index von santésuisse, auf den Sie sich beziehen, manchmal auch RSS-Index genannt (RSS = Rechnungssteller-Statistik), ist ein rein statistischer Wert, den santésuisse zur Wirtschaftlichkeitskontrolle erstellt. In der Tat hat santésuisse im Namen des Bundes den Auftrag, periodisch zu kontrollieren, ob die Leistungserbringer ihre Leistungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich (= sog. WZW-Kriterien) erbringen (Art. 32 und 56 KVG). Hierzu werden die praktizierenden Ärzte/innen einer Fachrichtung innerhalb eines Kantons aufgrund der pro Kalenderjahr von den Versicherungen verarbeiteten Arztrechnungen verglichen. Der mathematische Durchschnittswert dieses Vergleichs ergibt den Index 100 (= Kosten pro Patienten). Wenn ein/e Arzt/Ärztin nun wie Sie vorwiegend psychotherapeutisch arbeitet und seine Patientinnen z.B. ein- bis zweimal pro Woche sieht, wird er schnell einen «hohen Index» aufweisen. Bisher gilt, dass ein Index bis 130 toleriert wird und in diesem Sinn sozusagen als «unauffällig» gilt. Liegt der Index deutlich höher, dann wird santésuisse in aller Regel die Ärztin resp. den Arzt schriftlich auffordern, seinen/ihren hohen Indexwert zu begründen und bereits androhen, dass Honorare von «unwirtschaftlichen» Behandlungen zurückgefordert werden würden. Als Rechtfertigung eines hohen Indexes gelten dabei sog. Praxisbesonderheiten wie eine überdurchschnittliche Morbidität der Patientinnen und Patienten also z.B. eine Häufung von älteren, polymorbiden Menschen im Vergleich mit anderen Kolleginnen und Kollegen.
Wichtig: Der genannte Index entspricht einer Screening-Methode, die erlauben soll, statistisch auffällige Leistungserbringer zu identifizieren. Ein hoher Index beweist hingegen nicht, dass ein/e Arzt/Ärztin unwirtschaftlich gearbeitet hat. Dennoch behauptet santésuisse immer wieder, dieser Index belege eine Unwirtschaftlichkeit. Rechtlich ist es aber so, dass bei einem auffälligen Index eine Einzelfallprüfung der betroffenen Praxis folgen sollte. Dies gilt bis heute und wird auch durch die neue Berechnungsmethode des Indexes (sog. Regressionsindex) nicht verändert.
Soweit die allgemeinen Aspekte der Wirtschaftlichkeitskontrolle. Nun stellt aber das Fach Psychiatrie und Psychotherapie in mehrfacher Hinsicht eine Besonderheit in der Medizin dar. So werden erstens in einer psychiatrischen Praxis in aller Regel viel weniger Menschen behandelt als in einer anderen Facharztpraxis. Die Fallzahlen bewegen sich hier oft bei ca. 50 – 100 Patientinnen und Patienten pro Kalenderjahr. Die statistische Kontrolle beruht aber auf dem Prinzip der grossen Zahl und ist deshalb bei so kleinen Zahlen sehr anfällig auf Verzerrungen und somit fragwürdig. Noch wichtiger ist zweitens die besondere Regelung der Kostengutsprachen im Bereich der ärztlichen Psychotherapie. Dies wird in Art. 2 und 3 der Krankenpflegeleistungsverordnung (KLV) definiert. (https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19950275/index.html - id-1-1-2)
In einem Leiturteil vom 23.4.1999 hat das Bundesgericht dazu festgehalten: Die Erteilung einer Kostengutsprache durch den Versicherer – nachdem die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt ein Kostengutsprachegesuch eingereicht hat – bedeutet zwingend, dass diese Behandlung dem Erfordernis der Wirtschaftlichkeit genügt. Kein Gericht hat dies seither widerrufen und dies ist nur folgerichtig, weil die Logik dieses Leiturteils bis heute bestechend und unwidersprochen bleibt. In diesem Urteil hält das Bundesgericht fest: Wenn für die grosse Mehrzahl der in einem Jahr durchgeführten Behandlungen eine Kostengutsprache vorliegt, bleibt kein Raum für eine nachträgliche Rückforderung, auch nicht auf die statistische Methode gestützt.
Sollten Sie aber von santésuisse verwarnt oder wegen eines zu hohen Index bedroht werden, dann wenden Sie sich frühzeitig (!) an die SKV (skv). @psychiatrie. ch
Jean-Daniel Sauvant, Präsident SKV