Gegen Tarifeingriff und damit gegen Rationierung und Lohneinbussen

 
Ende März hat der Bundesrat einen neuen Ärztetarif mit Einsparungen von CHF 700 Mio. vorgelegt. Nach detaillierter Analyse zeigt sich, dass der Tarifeingriff in der Psychiatrie nicht nur uns Ärztinnen und Ärzte trifft, sondern auch die psychiatrischen Leistungen rationiert – vor allem über die engen Limitierungen in der Bezugs- und Umfeldarbeit und bei den Telefonaten.   Patientinnen und Patienten sind also stark betroffen – insbesondere Kinder und Jugendliche, ältere Menschen und Arbeitnehmer mit psychischen Erkrankungen. Die FMPP wehrt sich deshalb im Namen der Mitglieder und der betroffenen Patienten gegen den Tarifeingriff – auf der Ebene Politik, in der Öffentlichkeit sowie auch sachbezogen bei den nationalen Tarifgremien.   

Der Schritt war zwar angekündigt, aber dennoch ein Paukenschlag: Im März 2017 hat der Bundesrat erneut in den Ärztetarif TARMED eingegriffen. Damit will der Gesundheitsminister die Transparenz erhöhen, Fehlanreize reduzieren und Tarifsenkungen umsetzen. Fachdisziplinen mit langen Weiterbildungszeiten verdienen damit weniger. Leistungen in Abwesenheit des Patienten und Telefonate werden eng begrenzt. Beides trifft die Psychiatrie und birgt Rationierungen in der psychischen Versorgung. Deshalb wehrt sich der Dachverband nun öffentlich und politisch gegen den Tarifeingriff.

FMPP agiert auf mehreren Ebenen

Die FMPP hat nach einer ersten Mitgliederinformation über die Eckpunkte des Tarifeingriffs in den vergangenen Wochen die vorgeschlagenen Tarifänderungen gründlich analysiert und diese basierend auf den von der FMH berechneten Mengengerüsten bewertet. Nun arbeitet die Tarifkommission im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens eine detaillierte Stellungnahme aus. Zeitgleich engagiert sich die FMPP weiterhin in den Tarifrevisionsarbeiten TARCO der FMH mit dem Ziel, mit allen Tarifpartnern bis Mitte 2018 eine neue Tarifstruktur einzureichen und so die Tarifautonomie zu erhalten. Parallel zu diesen Arbeiten hat die FMPP beschlossen, sich öffentlich für wichtige Anpassungen beim per 1. Januar 2018 in Kraft tretenden «Amtstarif» einzusetzen und gegen die Rationierungen und Lohneinbussen zu wehren. Die Auswirkungen des Tarifeingriffs blockieren die Arbeitsinstrumente der modernen State-of-the-Art-Psychiatrie, was die Fachgesellschaft nicht hinnehmen kann.

Wichtige Argumente sprechen gegen den Amtstarif

Hauptkritikpunkt der FMPP sind die Limitierungen der Tarifposition «Leistungen in Abwesenheit des Patienten (LAP)». Die LAP umfasst in der Psychiatrie mehr als das Lesen von Patientenakten: nämlich die Bezugs- und Umfeldarbeit. Auch werden die Telefonkonsultation – also die Telefongespräche mit dem Patienten – limitiert, was ein weiteres Problem darstellt.

  • Chirurgen können ohne Skalpelle nicht operieren, Internisten ohne Stethoskop keine Diagnose stellen. Und wir Psychiater können ohne Gespräche und Netzwerkarbeit nicht erfolgreich arbeiten. Der Tarifeingriff birgt versteckte Rationierungen und gefährdet die Patientensicherheit.
  • Mit der Tariflimitierung werden in der Kinder- und Jugendpsychiatrie die Unterstützung des Umfelds und die Zusammenarbeit mit anderen Fachpersonen massiv eingeschränkt, was zu mehr Klinikzuweisungen und höheren Kosten führen wird.
  • Auswirkungen haben die Tariflimitationen auch auf die Alterspsychiatrie. Je besser dort die Bezugs- und Umfeldarbeit mit der Spitex und den Angehörigen und involvierten Behörden gestaltet wird, desto selbstständiger bleiben Betroffene und desto geringer sind die volkswirtschaftlichen Kosten.
  • Ein weiterer Bereich, der durch den Tarifeingriff beschnitten wird, ist die berufliche Reintegration. Die wegfallenden Gespräche mit den Arbeitgebern und regionalen Arbeitsvermittlungsstellen sowie der IV bedrohen die Chancen der Betroffenen auf eine nachhaltige berufliche Integration. Gerade Menschen mit psychischen Krankheiten brauchen in diesem Bereich professionelle und vernetzte Unterstützung.
  • Neben der Limitierung der LAP wird auch die Zeit für telefonische Konsultationen mit den Patienten massiv verkürzt. Es darf nicht sein, dass ein sinnvolles Notfall- und Kriseninstrument nicht mehr bezahlt wird.

Mit der Gleichsetzung der Dignitäten und Tieferbewertung von bestimmten Handlungsleistungen wollte der Bundesrat die zum Teil sehr hoch hinterlegten operativen Fächer korrigieren und die Hausarztmedizin aufwerten. Dass der bundesrätliche Tarifeingriff für die Psychiatrie Tarifsenkungen und damit Lohneinbussen bis zu 10% mit sich bringt, ist unverständlich.

  • Psychiater sowie Kinder- und Jugendpsychiater gehören bereits zu den am schlechtesten verdienenden Ärztinnen und Ärzten der Schweiz.
  • Für die ambulanten psychiatrischen Institutionen, die eine wichtige Rolle für die psychiatrische Notfallversorgung spielen, wirkt der Tarifeingriff defizitär, was den Abbau nicht mehr finanzierter sozialpsychiatrischer Angebote bewirkt.
  • Die aktuelle BASS/BAG-Studie belegt Behandlungslücken und Nachwuchsmangel bei der Erwachsenen- sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Diese Probleme werden so verstärkt.

Zwar gehört die psychische Versorgung zu den gesundheitspolitischen Prioritäten, der bundesrätliche Tarifeingriff steht aber im Widerspruch zum aktuellen politischen Kurs.

  • Die aktuelle BASS/BAG-Studie belegt Handlungsbedarf in der psychischen Versorgung, weil sie erstmals Behandlungslücken in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, aber auch bei der Landbevölkerung sowie bei den Notfallangeboten und Kriseninterventionen ausweist.
  • Skillmix und Case Management sind wichtige Elemente der nationalen Strategien zu Demenz, Sucht und psychischer Gesundheit, die im Moment im politischen Prozess stehen. Gerade bei psychisch Erkrankten ist auch dafür die Bezugs- und Umfeldarbeit entscheidend.
  • Ein weiteres Thema ist die IV-Revision, mittels der psychisch Kranke besser in den Arbeitsmarkt reintegriert werden sollen. Integrationsmassnahmen basieren aber auf Bezugs- und Umfeldarbeit. Durch den Bundesratseingriff werden erhebliche Kosten in Richtung IV verschoben werden.

So nicht! – kein Amtstarif mit Rationierungen und Lohneinbussen

Die FMPP fordert Anpassungen zugunsten der Psychiater und der betroffenen Patientengruppen. Die FMPP wird gegenüber Bundesrat Alain Berset und der Gesundheitsbehörde detailliert und klar Stellung nehmen. Darüberhinaus werden wir den öffentlichen Druck für unsere Sache erhöhen und brauchen die Unterstützung aller Mitglieder. Wir haben zum einen für Ihre Praxen Informationsflyer vorbereitet, die Sie ausdrucken und für Ihre Patientinnen und Patienten auflegen können. Ferner versenden wir heute die verlinkte Medienmitteilung, mit der wir unsere Anliegen auch über die Presse vertreten wollen. Ebenfalls haben wir mit verschiedenen Medien Kontakt aufgenommen, um Interviews zu lancieren. Sie als Mitglieder können uns mit Leserbriefen oder Meinungsartikeln, die unsere Argumente aufnehmen, unterstützen. Falls Sie direkt von Medien angefragt werden, stehen Ihnen Alexander Zimmer oder die Präsidenten der Fachgesellschaften Pierre Vallon, Hélène Beutler und Alain Di Gallo sehr gerne für die Vorbereitung zur Verfügung. Zudem wollen wir auch an die Gesundheitskommissionen des Parlaments gelangen, um auch auf dieser Ebene unsere berechtigten Befürchtungen zu platzieren und die Interessen unserer Patienten zu vertreten. 

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